Inklusion und Improvisation
Shownotes
In der Episode „Inklusion und Improvisation – Über außergewöhnliche Musikschüler:innen und Spontaneität im Unterricht“ spricht die Organistin, Pianistin und Musikschullehrerin Petra Stroh über ihre Arbeit an den Landesmusikschulen Garsten und Maria Neustift. Die Leidenschaft für ihren Beruf basiert nicht zuletzt auf ihrer Einstellung, dass alle Musikschüler:innen grundsätzlich einzigartig sind. In dem Interview erzählt sie von einem sehbeeinträchtigten Schüler, welcher den Unterricht durch seine Kreativität, seinen Humor und sein Talent originell und bunt mitgestaltet, sodass Improvisation zum Leitfaden wird. Diese eindrucksvollen Erlebnisse weiß Petra Stroh nicht nur als Musikschulpädagogin für ihren Unterricht zu nutzen, sondern sieht sie auch als Bereicherung im privaten Alltag. Ein sehr persönliches Gespräch über die Arbeit in der Musikschule und grenzenloses Lehren sowie Lernen durch Inklusion.
Redakteurin: Lisa Kronsteiner
Transkript anzeigen
00:00:03: Voll auf Musik.
00:00:09: Musikschule zum Reinhören.
00:00:11: Das Akustische Magazin der Oberösterreichischen Landesmusikschulen.
00:00:38: Zu dieser Ausgabe des Akustischen Magazins der Oberösterreichischen Landesmusikschulen begrüßt sie Lisa Kronsteiner.
00:00:47: Sie hören gerade einen Ausschnitt aus dem Köln-Konzert von Keith Jarrett.
00:00:53: Diese Aufnahme ist mittlerweile über fünfzig Jahre alt.
00:00:58: Jedoch noch immer eines der meistverkauften Klavier-Solo-Alpen und wohl auch aufgrund der für den Pianisten außergewöhnlichen Konzertverhältnisse ein Meisterwerk.
00:01:13: Heath Jarrett gibt am vierundzwanzigsten Jänner, neunzehnfünfundsiebzig, ein Solo-Konzert in der Kölner Oper.
00:01:21: Da der gewünschte Konzertflügel nicht richtig angeliefert wird, muss er sich mit einem weniger hochwertigen Instrument zufrieden geben.
00:01:32: Was anfangs beinahe zu einer Konzertabsage führt, entwickelt sich zu Jareds bekanntester Veröffentlichung.
00:01:40: Diese außergewöhnliche Konzertsituation ist mitunter ein Grund für die Faszination Köln-Konzert, nämlich die Empathie zum Künstler.
00:01:53: Außergewöhnliche Situationen gibt es aber auch im Alltag von Musikschullehrerinnen und Lehrern.
00:02:00: Mitunter kann der Unterricht für Lehrende große Herausforderungen offenbaren, welche wiederum neue Perspektiven öffnen und schlussendlich den Horizont erweitern.
00:02:16: Aus diesem Grund lud ich die Organistin und Pianistin Petra Stroh zu einem Gespräch ein.
00:02:25: Mit ihr unterhielt ich mich über den Traumberuf Musikschullehrerin und wie ein außergewöhnlicher Musikschüler dieses Bewusstsein für ihre Berufung noch bestärkt.
00:02:42: Petra, du hast an der Universität für Musik und Darstellende Kunst in Wien bei Rudolf Scholz Konzertfach Orgel sowie instrumentalpädagogik Orgel studiert.
00:02:54: Anschließend folgt der Studium der Musikerziehung im Hauptfachklavier bei Peter Barzabar.
00:03:01: Die Teilnahme an Meisterkursen sowie die Zusammenarbeit mit zahlreichen Solistinnen und Solisten bzw.
00:03:07: Körern runden deine künstlerischen Aktivitäten ab.
00:03:12: Seit Jahrzehnten unterrichtest du am Oberösterreichischen Landesmusikschulwerk zur Zeit an den Landesmusikschulngasten und Maria Neustift, die Fächerklavier-Orgel.
00:03:26: Petra, bei dir lern seit einigen Jahren ein ganz außergewöhnlicher Schüler.
00:03:31: Wie würdest du ihn und euer Kennenlernen beschreiben?
00:03:36: Also, grundsätzlich ist er für mich jeder Schüler in gewisser Weise außergewöhnlich und krachterlich, so wie musikalisch, einzigartig.
00:03:46: Und bei dem von dir angesprochenen Schüler handelt es sich eben um den zwölfjährigen Severin Strasser.
00:03:54: Das Besondere am Severin ist seine Seebehinderung.
00:03:59: Seit mittlerweile sechs Jahren darf ich jetzt den Severin im Klavierunterricht begleiten und ich habe in dieser Hinsicht einen gewissen Startvorteil gehabt, weil ich im Landesmusikschulwerk zum Unterrichten begonnen habe.
00:04:17: In Großramming habe ich schon eine Schülerin unterrichten dürfen, die war blind.
00:04:22: Und somit hatte ich jetzt gegenüber dem Severin einen gewissen Startvorteil.
00:04:28: Und was man beim Severin von Beginn an aufgefallen ist, war seine große Kreativität, seine Musikalität und vor allem sein Sinn für Humor.
00:04:41: Und was den Severin, was ihm sehr zugute kommt, ist sein musikalisches Elternhaus.
00:04:51: von Beginn an, weil seine Mama und sein Papa singen in einem Chor und von Beginn an ist er von klein auf eigentlich, ist er mitgenommen worden zu den Konzerten und hat eigentlich da eine große Bandbreite an musikalischen Erfahrungen und Klängen eigentlich bekommen, aus dem er jetzt im Klavierunterricht schöpfen kann.
00:05:19: Was waren für dich beziehungsweise für euch beide die größten Herausforderungen im Umgang mit den besonderen Voraussetzungen?
00:05:27: Mir war von Anfang an eigentlich sehr wichtig, dass das Severin jetzt nicht als Kind mit einer Behinderung gesehen wird, also von mir als Lehrerin, sondern als Kind wie jedes andere.
00:05:45: die seine Fähigkeiten hat und seinen ganz eigenen Zugang zur Musik hat und auch mit seinen Interessen gesehen wird und seinen Ideen, die er hat und dass ich den Severin mit diesen ganzen Erfahrungen, die er hat und Interessen, dass ich ihn als Lehrerin so gut geht, unterstütze und fördere.
00:06:13: Und die größte Herausforderung ist wahrscheinlich das, dass man ganz normale Klavierstücke für ihn so spielbar macht oder diese Hindernisse mit ihm gemeinsam so überwenden lernt, dass er auch ganz normale Klavierstücke spielen kann.
00:06:33: Severin hat kürzlich seine erste Übertrittsprüfung sehr erfolgreich absolviert.
00:06:38: Eine ganz neue Erfahrung für ihn?
00:06:41: und sicherlich auch für dich.
00:06:44: Was war das Besondere an der Vorbereitungszeit mit Severin?
00:06:48: Es war die Entstressung, muss ich ehrlich sagen, weil der Severin ist grundsätzlich befreit von den Übertretensprüfungen in der Landesmusikschule durch seine Beeinträchtigung.
00:07:01: Und mir war es aber trotzdem wichtig, dass er einerseits zeigen kann, was er drauf hat.
00:07:08: Und wir haben dann gemeinsam für die praktische Prüfung ein tolles Programm erarbeitet.
00:07:15: Und die zweite Schiene, was für mich wichtig war, war die Musiktheorie.
00:07:19: Da haben wir ja mit dir, Lisa, eine super tolle Lehrerin an der Landesmusikschule in Gasten.
00:07:25: Und in Zusammenarbeit mit dir war das eigentlich für den Severin ein kompletter Zugewin, weil er, was die Musiktheorie betrifft, dadurch einfach dazugelernt hat und jetzt im praktischen Bereich viel mehr anfangen kann.
00:07:46: Und das war quasi diese beiden Schienen, die Musiktheorie und der Musikpraktische Teil.
00:07:53: Und beim Musikpraktischen Teil finde ich es immer ganz spannend, grundsätzlich, wenn die Schüler ein Stück sehr gut technisch bewältigen können, diese musikalische Ausformung dann.
00:08:09: Das ist für mich immer wie ein Bild.
00:08:12: Zuerst malen sie ja mal als Kitze, das ist so der technische Bereich.
00:08:18: Und dann kommen die Bilder, die die Farben ins Bild.
00:08:22: Und das ist immer für mich grundsätzlich in diesem Arbeitsbereich die schönste Arbeit mit den Schülern, diese Ausformung des Stückes dann zu einem Bombenbild.
00:08:36: Und das hat mit dem Severin super funktioniert auch.
00:08:40: Und es ist insofern spannend, weil ich gerade von Bildern spreche, weil der Severin hat ja andere Bilder als wir sehenden.
00:08:50: Und das war auch wieder ein gemeinsames Erarbeiten, mit was kann er was anfangen, damit das Stück zu leben beginnt.
00:09:00: Petra Stroh hat eine Aufnahme von Severin aus dem Unterricht mitgebracht.
00:09:05: Eine spontane Improvisation, wie bei Keith Jarrett.
00:10:10: Improvisation spielt grundsätzlich ein großes Thema bei uns im Unterricht mit dem Severin.
00:10:16: Nicht nur jetzt in musikalischer Hinsicht, sondern auch, was den Ablauf der Stunde betrifft.
00:10:21: Und da ist der Severin sehr kreativ und das ist immer ganz spannend, was in der nächsten Stunde quasi von ihm präsentiert wird im Klavierunterricht.
00:10:37: Kannst du deine Erfahrungen auch bei anderen Schülerinnen und Schülern anwenden?
00:10:42: Beziehungsweise, was nimmst du privat aus dem Unterricht mit?
00:10:48: Es ist das Offen bleiben.
00:10:50: Das Offen bleiben für Neues, für Ungeplantes eben dieses improvisatorische Element, das heute schon ganz oft angesprochen wurde.
00:11:00: Es
00:11:01: darf mal auch etwas außerplanmäßig laufen.
00:11:05: Und es ist nicht immer das Stundenkonzept wichtig, das man sich vorbereitet hat, sondern man darf auch mal an einer Weggabelung einen anderen Weg nehmen, obwohl man eigentlich vielleicht vorher den anderen wollte.
00:11:21: Also dieses Offen bleiben und ich glaube, dass ich mir das auch für private Zuhause mitnehme, dass einfach nicht immer alles ... nach Plan laufen kann und auch nicht immer alles nach Plan laufen muss.
00:11:39: Was ich ganz spannend finde, ist, dass man auch bei den anderen Schülern einmal den Sehsinn ganz bewusst ausblendet.
00:11:48: Ich wende das Öfterbellen meinen anderen Schülern an, dass ich sage, schließe deine Augen und spiele mal die Übung oder diese eine Stelle aus dem Stück mit geschlossenen Augen.
00:12:03: Und es ist immer ganz spannend, wie die Schüler dann das empfinden, weil natürlich dann ein Sinn ausgeschaltet ist und der Tast sind in einer Form viel bewusster wahrgenommen wird oder der Hörsinn.
00:12:16: Und das ist eigentlich das, was ich immer mitnehme im Unterricht oder auch privat auch einmal wirklich einen Sinn vielleicht wegzugeben und sie auf die restlichen Szenen einmal bewusst konzentriert.
00:12:28: Wie erlebst du selbst die Balance?
00:12:31: Zwischen Musikschule und Familie.
00:12:34: Vor allem als Frau und Mama ist es gar nicht so einfach, finde ich, eine gute Balance zwischen Familie und Musikschule zu finden.
00:12:45: Es würde auch gar nicht funktionieren ohne Unterstützung meines Ehemanns oder auch unserer Eltern.
00:12:52: Das wäre ganz schwierig.
00:12:54: Die Musikschullehrerinnen unterrichten ja ab Mittag bis teilweise spät abends.
00:13:00: Und zusätzlich bin ich ja auch noch an zwei Musikschulen mit Korreaktion beschäftigt.
00:13:06: Das ist vor allem in Zeiten mit primaler Musiker und Übertretzprüfungen sehr zeitaufwendig.
00:13:13: Und von dem her finde ich es wirklich nicht einfach, diese Balance zu finden.
00:13:18: Aber es ist einfach diese Freude, die ich an dem Beruf habe, dass das eigentlich Ein leichtes ist, dass man dann irgendwelche Wege findet, dass das trotzdem gut funktioniert, weil mir das so wahnsinnig am Herzen liegt, dieses Unterrichten der Schüler und grundsätzlich dieser Musikschuldjob, mein wirklicher Traumjob ist.
00:13:43: Und ich glaube, da nimmt man dann auch das im Kauf, dass das ein bisschen schwieriger ist mit der Familie, aber es erfordert Kreativität und wir sind Musiker und ich glaube, von dem her.
00:13:56: Geht's dann einfacher?
00:14:04: Zum Abschluss des Gesprächs bat ich Petra um einen Wordrap.
00:14:10: Kurze und spontane Antworten zu folgenden
00:14:13: Themen.
00:14:15: Musikschule ist für mich.
00:14:17: Ein Ort größter Kreativität, Menschlichkeit und ein Ort des Wohlfühlens.
00:14:23: Mein Wecker läutet
00:14:25: um ... ... fünf Uhr.
00:14:28: Beim Autofahren höre ich ...
00:14:31: Querbeat, man könnte auch sagen Querbeat.
00:14:35: Also bei mir hört man alles von Herbert Pixner bis Josh Groban, innerregen, poxrockersisters.
00:14:42: Und ich bemerke, dass ich am liebsten Stücke mit Gesang höre.
00:14:45: Die berühren mich am tiefsten.
00:14:49: Am liebsten koche ich.
00:14:51: Mit meinem Thermomix.
00:14:53: Eine Herausforderung, die mich an meinem Beruf besonders reizt.
00:14:57: Es sind die individuellen Interessen jedes einzelnen Schülers.
00:15:03: Diese Interessen gemeinsam herauszufinden und daraus etwas zu machen, das ist die Herausforderung.
00:15:18: Wenn sie eigene Ideen in den Unterricht mitbringen und ich dadurch eigentlich etwas dazulerne.
00:15:27: In zwanzig Jahren sehe ich mich.
00:15:30: Das ist eine sehr interessante Frage.
00:15:32: Da sehe ich mich wahrscheinlich höchstwahrscheinlich in Pension und im Traum wahrscheinlich als Pianist in einer coolen Band mit einem kleinen Häuschen auf einer griechischen Insel.
00:15:44: Mit Blick aufs Meer.
00:15:47: Liebe Petra, ich danke dir für dein sehr persönliches Gespräch und die spannenden Einblicke in deinen Instrumentalunterricht.
00:15:56: Danke, Lisa, für die Einladung, dass Sie da sprechen durften bei diesem
00:16:00: Trottkast.
00:16:02: Abschließend darf ich das Wort an meinen Kollegen Christian Carbon übergeben.
00:16:08: Danke, Lisa.
00:16:09: Ja, und damit sind wir auch schon wieder am Ende unserer heutigen Folge zum Thema Traumberuf Musikschullehrerin Musikschullehrer angekommen.
00:16:19: Wieder einmal haben wir gehört, wie vielseitig kreativ und erfüllend dieser Beruf sein kann.
00:16:25: aber auch welche Herausforderungen und Anforderungen er mit sich bringt.
00:16:31: Musikschullehrerinnen und Lehrer geben nicht nur ihr Können weiter, sondern vor allem auch ihre Leidenschaft.
00:16:38: Und genau das ist es, was diesen Beruf
00:16:41: so
00:16:41: besonders macht.
00:16:44: Christian Kapun verabschiedet sich bis zur nächsten Ausgabe von voll auf Musik, die sie wie immer überall hören können, wo es Podcasts gibt.
00:16:53: Auf der Homepage des Oberösterreichischen Landesmusikschulwerks, auf YouTube, sowie auf den Frequenzen des freien Radio Salzkammergut jeden ersten Donnerstag im Monat ab neunzehn Uhr und auf Radio B.einhundertdreißig jeden dritten Mittwoch im Monat um neunzehn Uhr dreißig.
00:17:13: Vielen Dank fürs Reinhören.
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